Über das Meer
Mit Syrern auf der Flucht nach Europa
Wolfgang Bauer ist freiberuflicher Reporter für die deutsche Wochenzeitung Die Zeit. Zusammen mit dem tschechischen Fotografen Stanislav Krupar, der für Magazine wie Geo und Stern tätig ist, versuchte er 2014 mit syrischen Flüchtlingen von Ägypten nach Europa zu gelangen. Darüber berichtet er in „Über das Meer. Mit Syrern auf der Flucht nach Europa. Eine Reportage.“
Die Flüchtlinge, denen Bauer begegnet und die er begleitet, nehmen in seiner Reportage nach und nach Gestalt an und bekommen ein Gesicht. Indem er die Flüchtlinge beim Namen nennt, fühlt sich der/die LeserIn ihnen näher. So lernt er/sie ihre Geschichten kennen, begleitet ihre Schicksale und entwickelt eine Beziehung zu ihnen. Wolfgang Bauer gelingt es, hingegen vieler anonymer Berichte und Zahlen diese namenlosen Flüchtlinge, von denen in Europa immer die Rede ist, menschlich zu machen. Dem entgegen zu halten ist natürlich eine gewisse daraus entstehende Emotionalisierung, die ein Reporter dazu nutzen kann ein breites Publikum zu erreichen, allerdings bleibt Bauer durchwegs sachlich.
Obwohl Bauer und Krupar bereits nach den ersten Verwicklungen in Entführung, Geiselnahme und konkurrierende Schmugglerbanden bei dem Unterfangen über das Meer nach Europa überzusetzen, von der ägyptische Küstenwache aufgegriffen und abgeschoben werden, bleiben sie mit einigen ihrer Fluchtgenossen in Kontakt. Somit folgt der/die LeserIn auch weiterhin dem Weg, den die Flüchtlinge in ihrer Hoffnung auf Frieden, Freiheit und einem menschenwürdigen Leben auf sich nehmen. Dies liest sich wie direkte Erzählungen der Personen selbst, da sie durch einen klaren, flüssigen Schreibstil geprägt sind, der sich nicht in Details verliert. Der/Die LeserIn bekommt dabei ein Bild davon, wie es tatsächlich an den außer- und innereuropäischen Grenzen zugeht und dem, was die Menschen auf der Flucht ausgesetzt sind. Umstände, die die Medien gar nicht darstellen können.
Nebenher liefert Bauer verständliche und prägnante Erklärungen zu viel verhandelten Begriffen wie der Dublin II Verordnung sowie einer deutlichen Skizzierung des Konflikts der konkurrierenden Fronten in Syrien.
Der europäischen Asylpolitik steht er ausgesprochen kritisch gegenüber und verweist auf deren bittere Wirklichkeit. Er möchte die Aufmerksamkeit auf die Menschen lenken, die von diesem Europa illegalisiert, radikalisiert und herabgewürdigt werden. Zum Ende hin appelliert er an die Gesellschaft Europas sich zu solidarisieren, nicht länger wegzuschauen, einzutreten für diese Menschen und Position zu beziehen.
Bei „Über das Meer. Mit Syrern auf der Flucht nach Europa. Eine Reportage“ handelt es sich um ein Buch, das den/die LeserIn nachdenklich stimmt über das Europa in dem er/sie wohnt und das Erlebnis Flucht greifbarer macht.
Rezension by Sarah Bock
Wolfgang Bauer: Über das Meer: Mit Syrern auf der Flucht nach Europa (edition suhrkamp). ISBN 978-3-518-06724-6. Zur Bestellung