Hörstolpersteine – Radiospots gegen das Vergessen
Über etwas zu stolpern – zumindest optisch – und so auf etwas aufmerksam zu werden, das ansonsten im Alltag im Verborgenen bleiben würde, das ist das Ziel der über 56.000 Stolpersteine, die bereits beinahe europaweit verlegt worden sind. Darauf zu lesen sind die Namen, Geburts- und Sterbedaten von Opfern des NS-Regimes. Die Intention des Kunstprojekts ist es, ein Mahnmal gegen das Vergessen zu schaffen und so an die Schrecken des Nationalsozialismus zu erinnern.
Bereits im Jahr 2012 hatte die Radiofabrik die Idee, das Kunstprojekt auf eine neue Ebene zu heben. Gemeinsam mit fünf weiteren Freien Radios aus Deutschland und Österreich fügte sie den Stolpersteinen eine akustische Dimension hinzu: In Kooperation entstanden insgesamt 60 Hörstolpersteine, die die Geschichten der Opfer hinter den Stolpersteinen in Form von fünf- bis zehnminütigen Radiobeiträgen erzählen. Diese kurzen Audiobiographien tauchen unvermutet in den Programmen der Radiosender auf. Ähnlich den Stolpersteinen in den Straßen haben auch diese Hörstolpersteine einen interventionistischen Charakter: Sie irritieren, machen aufmerksam, regen zum Nachdenken an und bewahren zudem die Geschichte der Opfer vor dem Vergessen. Die persönliche, die menschliche Dimension hinter den bloßen Zahlen und Daten vermittelt die Erinnerung an die Grauen der Shoah auf eindrückliche Weise.
Mit dem Aufkommen einer Neuen Rechten, einer aufgeheizt diskutierten Flüchtlingsthematik, Stürmungen diverser Veranstaltungen durch Identitäre sowie Schmieraktionen auf Stolpersteinen ließ die Radiofabrik 2016 das Projekt wieder aufleben, um abermals an die Gefahren des Rechtsextremismus zu erinnern. Allerdings sollten dieses Mal SchülerInnen die Beiträge gestalten. Hintergrund war die Idee, das Medium Radio als Lehr- und Lernmittel zu verwenden, um Unterrichtsthemen auf eine frische Art und Weise aufzubereiten.
Zwischen Februar und Juni 2016 arbeitete die Radiofabrik gemeinsam mit SchülerInnen der 4b des Akademischen Gymnasiums in Salzburg an 10 Hörstolpersteinen. Im Rahmen des Geschichteunterrichts gab es an der Schule Besuche von ZeitzeugInnen und einen Einführungsworkshop mit Gert Kerschbaumer, der die meisten Biographien für die Salzburger Stolpersteine recherchiert hat. In der Folge wurde den SchülerInnen in der Radiofabrik das Radiomachen und das Konzept der Hörstolpersteine vermittelt. Die Jugendlichen suchten sich selbst einen Stolperstein aus, den sie vertonen wollten und setzten ihre Idee mit Unterstützung des Geschichtelehrers Hannes Straubinger und der Radiofabrik um.
Der Bezug zum eigenen Wohnumfeld, die persönliche Auseinandersetzung mit der konkreten Lebensgeschichte eines NS-Opfers, eigene Interviews mit Nachkommen oder Expertinnen, die radiophone Umsetzung der Ergebnisse und Publikation im Radio machen den Umgang mit dem Thema für die Jugendlichen spannend und nachhaltig. Die Sendungen werden einerseits im Programm der Radiofabrik sowie weiterer Freier Radios in Österreich ausgestrahlt, andererseits online auf der Stolpersteine-Salzburg-Seite und der Hörstolpersteinseite online nachhörbar gespeichert.
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Alle Hörstolpersteine zum Nachhören
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